Dienstag, 5. August 2014

Ein Tag mit Überstunden


„Nicht wundern, am Ende stehst du wieder am Anfang, nur halt später?“


Eigentlich ging es schon einige Tage vorher los, die Nervosität kam in Schüben. Am Wettkampftag selber, war ich einigermaßen entspannt, wie ich es kenne. (Auffällig hohe Anzahl von Toilettengängen)

Um 6 Uhr dann los, die letzten Vorbereitungen treffen, Kleiderbeutel deponieren, Getränke klar machen, Neo anziehen. Danach Richtung Schwimmstart. Irgendwie ging jetzt alles ziemlich schnell. Lutz (auch Triwolf) und ich warteten zusammen auf den Start. Anders als bei mir ist es nicht sein erster Ostseeman, er weiß etwa was kommt.

Nationalhymnen der Teilnehmer werden gespielt. Wir starten etwas verspätet kurz nach 7. Dem meisten Gehaue konnte ich gut aus dem Weg gehen. Am meisten Respekt hatte ich vor zu vielen Quallen, aber ich hab mir immer schön einen Vordermann gesucht der für mich auch ein bisschen Strömungsschatten gegeben und mir die unliebsamen Quallen vom Leib gehalten hat. Auf der zweiten Runde hat mir eine Staffelschwimmerin die Brille vom Kopf gehauen… Aus irgendeinem Grund hat sie mir dann auch noch was hinterher gebrüllt. Zwei Armzüge später hab ich sie dann nicht mehr gehört. Vielleicht hat sie noch ein bisschen ne Boje angenörgelt… Ohne weitere Überraschungen bin ich dann nach 1:11 Std. und mit gutem Gefühl aus dem Wasser gekommen.

Nach dem Wechsel dann zum Radfahren kam der Regen wie angekündigt schon auf der ersten von sechs Runden. Taktisch klug hatte sich an einem Anstieg auch mein grandioser Fan-Block eingerichtet. Dörthe, meine Eltern, Dörthes Bruder, Loic, Simone und Ulf haben auch Vollgas gegeben und zusätzlichen Antrieb. Bei der zweiten Runde konnte man locker von einem Wolkenbruch reden, ich war wieder so nass wie beim Schwimmen.



Die Ränder der Strecke waren gesäumt von Athleten (bei 20 hab ich aufgehört zu zählen), die ihre Plattfüsse reparierten. Wohl von dem hochgespülten Split. Gut, dass ich vorm Wettkampf neue Mäntel und Pannenmilch montiert hatte.

Das Radfahren lief entspannt und ich fuhr einen guten 32er Schnitt, die 30-Kilometer-Runden machten es kurzweilig. Dann am Ende der fünften Runde passierte es. Ich bin in einer Kurve abgeschmiert. In Glücksburg und Umgebung hatte es Wochen nicht geregnet und die Straßen waren schmierig. Zum Glück nur Prellungen und Schürfwunden. Mein Rad war auch halbwegs okay. Einige leichte Gänge konnte ich nicht fahren, weil sonst das verbogene Schaltwerk in die Speichen lief. Aber ich konnte weitermachen, das war das einzige, was zählte! Und weil das ganze mitten in der City passierte, hat der Moderator meinen Sturz ausführlich für die Zuschauer kommentiert… Die letzte Runde fuhr ich dann etwas langsamer, weil ich nicht wusste, ob vielleicht noch irgendwas kaputt ist.

Einen blinden Passagier hatte ich auch. Ein Marienkäfer hat von Anfang an auf meinem Lenker gesessen, ist mal hierhin und dahin gewandert. Selbst bei dem Sturz ist er artig auf dem Lenker geblieben.

Ich hatte etwas Sorge, ob ich die Prellungen beim Laufen merke, aber nach dem Wechsel vom Rad aufs Laufen ging es gut. Zu gut, ich lief viel zu schnell. Meine schlaue Uhr hat mir die Information auch gegeben, aber irgendwie hab ich meinen Rhythmus nicht gefunden. Andere Läufer mit anderem Tempo, kaum noch Körpergefühl nach über 7 Stunden, egal jetzt einfach nur noch durch den Rest. Der Fan-Block hat wieder mächtig motiviert. Auch Sandra vom SC Weyhe die ebenfalls auf der Langdistanz unterwegs war, hat mich bei jeder Begegnung angefeuert. 



Und dann hat mich im Start-/Zielbereich auf dem Weg in die zweite Runde genau da, wo sehr viele Zuschauer standen, der Gesamtführende Christian Nitschke überholt. Die Menge hat gejubelt und es war ein Wahnsinnsgefühl. Als ich auf meine vorletzte Runde ging, stand der Christian Nitschke, der bereits das Rennen gewonnen hatte am Verpflegungspunkt und reichte mir und den anderen Wasser… echt abgefahren! Hin und wieder musste ich mal gehen, um wieder runter zu kommen, aber Runde um Runde kam ich dem Ziel näher.


Die letzten Minuten bis zum Ziel sind irgendwie ein anderer Film. Ich konnte, was ich vorher nicht mehr konnte… Laufen. Tausend Dinge und nichts geht einem durch den Kopf… und dann… läufst du durch einen Kanal von Menschen, durch so einen Bogen der dich über deine Zeit informiert. Bei mir wurden 11:44 Stunden angezeigt, mit denen ich sehr, sehr zufrieden bin. Ja, du läufst durch so einen Bogen und stehst einfach da und es ist erledigt!




Na gut, es ist ein „saugeiles Gefühl“!!!!! 



Es ist schön, dass mit so vielen lieben Menschen zu erleben, die für einen dabei sind. Neben dem Fanblock die vielen Wünsche vorher und hinterher über alle Arten von Medien… Es ist klasse.


Man fragte mich, ob ich so etwas nächstes Jahr wieder machen würde. 
Ich habe geantwortet „Nein, nicht nächstes Jahr“.




Was hat mir das ganze rückblickend gebracht?


Eine Menge mehr, als ich gedacht habe: auf den eigenen Körper hören, den Begleiter "was, wenn du es nicht schaffst" zu ertragen. Und dass ich viel länger als erwartet solche Selbstdisziplin aushalten kann. Es ist ein gutes Gefühl, so ein augenscheinlich fernes und schweres Ziel zu erreichen.

Und noch eine Erkenntnis. Sicher kann man so etwas straight alleine trainieren und erreichen.
Aber ich persönlich bin über all die Unterstützung, die ich hatte sehr, sehr froh.
Dörthe, die mir die müden Beine massiert hat. Einkaufen, das Haus putzen usw... Die Bude hätte bei all dem Training etwas anders ausgesehen und ich hätte ausschließlich von Fertiggerichten gelebt, wenn Dörthe nicht gewesen wäre, der zweite Ausdauer-Athlet!



Ich habe erfahren, dass Freunde und Familie bereit sind, sich 12 Stunden für mich die Beine in den Bauch zu stehen. Und dass es jede Menge Leute gibt, die in Gedanken bei mir sind, wenn es um was geht.

Mein Weg zur Ostsee

Wofür eigentlich das ganze? 
Ein paar Klicks und man ist angemeldet, da war das Ziel 2014 schnell definiert. Bei den 500+ Trainingsstunden war dann doch etwas Zeit um genau darüber nachzudenken. Will man den ganzen Zauber wirklich? Training mit Gegenwind, bei Regen oder wenn ich einfach mal nicht meinen Rhythmus beim Laufen gefunden habe.

Wofür? Für tolle gemeinsame Trainings mit Freunden, für beeindruckende Landschaften im Bremer Umland und auf Mallorca. Für mehr Körperbewusstsein, für endlos viel Essen und gleich verbrennen!


Was liegt hinter mir?
512 Trainingsstunden und 268.819 Kalorien, über 1.500 Kilometer in Laufschuhen, mehr als 50.000 Höhenmeter hat mein Weg zur Ostsee gedauert. Und rechnerisch hab ich 46 Tüten Chips, 58 Tafeln Schokolade, 25 Flaschen (Angabe geschönt) Rotwein nicht verzerrt, weil ich großmäulig verkündet habe, dass es elf Monate (335 Tage!) keine Süßigkeiten und Alkohol gibt. Zum Glück war da noch Espresso!

Noch ein paar sportliche Erkenntnisse. Bis zu 3 Mal die Woche zu schwimmen, bringt tatsächlich Verbesserungen, ich bin begeistert und werde es fortsetzen. Vor allem macht es Spaß, wenn man sich nicht alleine um 6 Uhr morgens raus quält.

Radfahren. Wenn das nicht meine Disziplin ist. Radfahren kann ich, zumindest kann ich es lange. Was ich im Mai gelernt habe, 180km auf einem Zeitfahrrad sind was anderes als 20km. Hier zwickt was, der Nacken mag die Position nicht. Alles irgendwie unrund. Aber auf den letzten Kilometern kam dann doch noch so etwas wie Wohlfühl-Feeling.

Beim Laufen war eine Entzündung an der Achillessehne im Februar ein mittelgroßer Tiefschlag. Nein, nein, nein. gerade das Laufen….! Da brauch ich doch jeden Trainingskilometer.

Sechs Wochen Pause und exzentrisches Wadentraining. Das zerrt vor allem an den Nerven. Die ersten Läufe danach konnte ich die Gedanken „was, wenn die Schmerzen wieder kommen?“ nicht verdrängen. Aber von Lauf zu Lauf bis in die langen Läufe blieb die Sehne ruhig und auch die letzten Zweifel wurden kleiner.